Auf die großen Verlautbarungen des vergangenen Jahres folgten 2025 die großen Emotionen! Das Herz der REPUBLIK DER LIEBE war das Haus der Republik: Hier folgten Late Night Shows, Konzerte und Partys aufeinander und lud eine Vielzahl von Performer:innen mit der Campfire-Reihe in den Garten des mythischen Funkhauses. Theorie-Ikonen wie Eva Illouz debattierten genauso wie ehemalige RAF-Mitglieder, Weltstars wie Laurie Anderson saßen mit Sexarbeiter:innen am Lagerfeuer, Aktivist:innen trafen auf Nachtschwärmer:innen – und das Performance-Kollektiv SIGNA verwandelte das Dachgeschoss des Funkhauses mit Das Letzte Jahr in eine immersive Performance-Installation.
Denn auch in ihrem zweiten Jahr war die Freie Republik vor allem eines: eine Republik der Künste! Während fünf Wochen überzogen Künstler:innen aus der ganzen Welt Wien mit über 40 Theater- und Musikproduktionen, Installationen und Community-Projekten und Ökosystemen der Liebe – global, vielfältig, überraschend und entfesselt. Kann die Liebe politische Abgründe überwinden? Dies fragte sich Julian Hetzel in seiner Performance Three Times Left is Right, in der ein alter Linker mit einer neuen Rechten Liebe und Leben teilt. In La Gouineraie (Der Lesbengarten) stellten die Radikal-Performerinnen Rébecca Chaillon und Sandra Calderan ihr eigenes Liebesmodell ins Zentrum und damit die Normativität eines Papa-Mama-dominierten Weltbilds in Frage. The Second Woman war gleich ein 24-Stunden-Marathon der Liebesbeziehungen. Die Schauspielerin Pia Hierzegger traf auf 100 Männer* – jede Begegnung bekam dabei ihre ganz eigene Dynamik. In ihrem neuen Projekt The Brotherhood widmete sich die Extremperformerin Carolina Bianchi Männerpakten und ihren Codes, in die Frauenfeindlichkeit und Gewalt eingeschrieben sind, während die japanische Regisseurin Satoko Ichihara in Kitty den Niedlichkeitshype spielerisch als Macht-Konstrukt entlarvte.
Wie nehmen wir Abschied von dem, was wir lieben?
In No Yogurt for the Dead, der neuesten Ausgabe von Histoire(s) du Théâtre, trauerte Tiago Rodrigues auf zutiefst berührende Weise um seinen Vater, während der albanische Shootingstar Mario Banushi in seiner weltweit gefeierten Arbeit Goodbye, Lindita ein Bilderuniversum kreierte, in dem Lebende und Tote aufeinandertreffen. Die Produktion The Grief of Red Granny nahm sich mit Stabat Mater dem vielleicht berührendsten Werk der Musikgeschichte an und mischte es mit afrikanischen Trauerritualen. In dem Projekt Centroamérica überwand die mexikanische Theatergruppe Lagartijas tiradas al sol wortwörtlich Grenzen, um einen Toten zu beerdigen. Im Volksstück Ein gefräßiger Schatten des Argentiniers Mariano Pensotti, das durch 15 Bezirke tourte, traf anlässlich eines Filmprojekts ein Bergsteiger auf sein Schauspieler Alter-Ego – der Beginn einer genauso emotionalen wie philosophischen Berg- und Talfahrt.
Brand New Classics
Aber auch das zweite Jahr der Freien Republik stand im Zeichen der großen (Skandal-)Texte der Weltliteratur. Wir widmeten ihnen eine eigene Reihe, die BRAND NEW CLASSICS: Mit Elfriede Jelineks Burgtheater kam endlich das zugleich unbekannteste und umstrittenste Stück der österreichischen Theatergeschichte auf die Bühne. Frankreichs Theater-Ikone Séverine Chavrier dramatisierte in Ils nous ont oubliés einen anderen österreichischen Klassiker – Thomas Bernhards Roman Kalkwerk – als genauso anrührende wie dysfunktionale Liebesgeschichte. Kurdwin Ayub widmete sich in ihrer ersten Theaterarbeit Weiße Witwe mit einem Star-Ensemble um Georg Friedrich und Rapperin addeN der Legende um die Geschichtenerzählerin Scheherazade – angesiedelt in einer Zukunft, in der eine muslimische Königin über Europa regiert.
Weiter ging es im Klassikerreigen mit einer ausschließlich weiblich besetzten argentinischen Tschechow-Adaption Gaviota (Die Möwe). Christopher Rüping verband in All About Earthquakes Kleists Erdbeben in Chili und bell hooks’ All About Love: Wie fühlt sich die Liebe nach dem Weltuntergang an? In Robin Hood, unserem Familienstück 2025, brachten Wu Tsang & Moved by the Motion eine Feier der Freundschaft (und Revolte) auf die Bühne. Wien-Liebling Julien Gosselin erschuf ein zehnstündiges Jung-Schauspieler:innen-Fest um Liebe, Kunst und Gewalt (Musée Duras). Und der belgische Regie-Shootingstar Lisaboa Houbrechts inszenierte mit Moeder Courage (Mutter Courage) von Bertolt Brecht den Widerstandskampf einer Mutter und Frau im Krieg.