Die 700. Vorlesung, gehalten im Wiener Konzerthaus am 2. April 1936, gut zwei Monate vor Karl Kraus’ Tod, war so etwas wie ein „Schwanengesang des Vorlesers“ (Jacques Le Rider): Kraus las und sang Erfolge wie Das Lied von der Presse, Reklamefahrten zur Hölle oder Frank Wedekinds Diplomaten-Lied. Volkstheater-Star Samouil Stoyanov und Petra Slottova (Querflöte) nehmen erneut einen Anlauf: „Wir bringen, dringen, schlingen / uns in das Leben ein. / Wo wir den Wert bezwingen, / erschaffen wir den Schein.“
Kraus Lectures – Eine Hommage zum 150. Geburtstag von Karl Kraus in fünf „Vorlesungen"
„Nichts trostloser als seine Adepten, nichts gottverlassener als seine Gegner“, schrieb Walter Benjamin über den 1874 geborenen, oft zitierten, gleichzeitig viel zu wenig gelesenen Sprach- und Kulturkritiker, Satiriker und begnadeten Performer Karl Kraus. In der Freien Republik Wien gestalten verschiedene Künstler:innen und Intellektuelle eine Reihe von „Vorlesungen“, wie sie Kraus selbst zwischen 1910 und 1936 mit großem Erfolg u. a. im Wiener Konzerthaus, in Arbeiterheimen und Theatern gehalten hat. An fünf Wochenenden wird Kraus weniger nachgebetet, als vielmehr sein „Theater der Dichtung“ entstaubt: Sprachanalysen und Textsprengungen, die er als Herausgeber der Fackel in Die letzten Tage der Menschheit, der Dritten Walpurgisnacht und hunderten Prozessen gegen korrupte Politiker und Medienmacher vorexerzierte, werden neu interpretiert. Bereits am 29. April 2024 gibt die Zeithistorikerin Katharina Prager, die in der Wienbibliothek im Rathaus Kraus’ Nachlass verwaltet, im Gartenbaukino mit einer Wiener Vorlesung einen Einblick in das Leben und Schaffen von Karl Kraus.
Konzept, Dramaturgie Claus Philipp Mit Petra Slottova, Samouil Stoyanov
In Kooperation mit Wienbibliothek im Rathaus