Die Heuchelei der Gutmeinenden
Wiener Prozesse: 3. Wochenende
Vorsitzende Richterin: Maria Berger
25 Euro
Deutsch
Eröffnungssitzung: ca. 3 Std / Fälle: je ca. 3 Std. / Schlusssitzung: ca 4 Std. + Urteilsverkündung
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit
Termine
14. Juni
Freitag
Zeit 19.30 Uhr
ERÖFFNUNGSSITZUNG
 
15. Juni
Samstag
Zeit 11 Uhr und 15 Uhr
FALL 7 und FALL 8
 
16. Juni
Sonntag
Zeit 14 Uhr und 17.30 Uhr
FALL 9 und SCHLUSSSITZUNG
 
14. Juni
Freitag
Zeit 19.30 Uhr
ERÖFFNUNGSSITZUNG
 
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FALL 7 und FALL 8
 
16. Juni
Sonntag
Zeit 14 Uhr und 17.30 Uhr
FALL 9 und SCHLUSSSITZUNG
 
© Rafaela Pröll

Politische Bewegungen, radikaler Aktivismus, aber auch Engagiertheit im Feld der Kunst lösen regelmäßig Kontroversen aus. Radikale Aktivist:innen der Klimabewegung sehen sich mit Vorerhebungen wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ konfrontiert, überschießend und extrem argumentierende Pro-Palästina-Aktivist:innen müssen nicht nur mit der scharfen Klinge des besseren Argumentes rechnen, sondern können auch Anklagen wegen „Gutheißung terroristischer Straftaten“ gewärtigen. Und im Kunstfeld wird in all den Diskursen mit harten Bandagen um Relevanz gekämpft.
In drei sehr unterschiedlichen Fällen konfrontiert uns der letzte der drei Wiener Prozesse mit der Heuchelei der Gutmeinenden. Die Fragen, die in den Raum gestellt werden: Welche Aktionsformen sind legitim? Heiligt der Zweck die Mittel? Ist eine gewisse Unerbittlichkeit und eine Mentalität des Kompromisslosen nötig? Oder umgekehrt, ist eine radikale Einseitigkeit in einer Welt des Komplexen und einer Realität der Ambiguitäten nicht eher gefährlich? Ist „Canceln“ eine kulturpolitische Strategie oder eine Angstreaktion auf Shitstorms? Und ist politische Kunst relevant oder kann das weg?

Die Prozessform dient als Steilvorlage für eine gesellschaftspolitische Grundsatzdiskussion. Nach dem strengen Regelwerk der Verfahrensordnung verhören echte Anwält:innen echte Zeug:innen, Expert:innen, Betroffene und Protagonist:innen. Im Rückgriff auf reale Artikel von Verfassungs- und Strafrecht wird das Geschehen, das hinter uns liegt, auf juristische Rechtmäßigkeit und gesellschaftliche Legitimität befragt. Das Urteil spricht das Volk, vertreten durch sieben Geschworene aus dem Rat der Freien Republik Wien.

Zum Nachschauen

Anklage

Fall 1

An das Gericht der Freien Republik Wien wird der Strafantrag gestellt, die Mitglieder der Letzten Generation wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Sinn des § 278b StGB (Strafgesetzbuch) zu verurteilen.

„(1) Wer eine terroristische Vereinigung (Abs. 3) anführt, ist mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen.

(2) Wer sich als Mitglied (§ 278 Abs. 3) an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(3) Eine terroristische Vereinigung ist ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d) betrieben wird.“ § 278b StGB

„(1) Terroristische Straftaten sind […] 6. schwere Sachbeschädigung (§ 126), […], wenn dadurch eine Gefahr für das Leben eines anderen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß entstehen kann […] (§§ 126a Abs. 3, 126b Abs. 3) oder wesentliche Bestandteile der kritischen Infrastruktur (§§ 126a Abs. 4 Z 2, 126b Abs. 4 Z 2) beeinträchtigt werden.

(3) Eine Tat nach Abs. 1 oder Abs. 2a gilt nicht als terroristische Straftat, wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet ist.“ § 278c StGB</p

Fall 2

In theatraler Stellvertretung der Organisator:innen der propalästinensischen Protestcamps wird an das Gericht der Freien Republik Wien Maßnahmenbeschwerde gemäß § 88 Abs 1 SPG (Sicherheitspolizeigesetz) gegen die Auflösung der Protestcamps erhoben.
Die Protestcamps dienen als Anlassfall zur Auslotung des Sagbaren, von Kritik und Zuspruch unter den Grundbedingungen der demokratischen Meinungsfreiheit und dem Bekenntnis zur Bekämpfung von Antisemitismus.

„Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, […].“ Artikel 11 Abs 1 EMRK

„(1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde […] zu untersagen und nach Umständen aufzulösen. (2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.“ § 13 Versammlungsgesetz

[…] erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.“ § 88 Abs 1 SPG

Fall 3

Die Wiener Festwochen werden wegen Förderungsmissbrauchs gemäß § 153b StGB angeklagt.

„Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst, sowie deren Lehre sind frei.“ Art 17a Staatsgrundgesetz

„Wer eine ihm gewährte Förderung mißbräuchlich zu anderen Zwecken als zu jenen verwendet, zu denen sie gewährt wurde, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“ § 153b Abs 1 StGB

„Im Bewußtsein der wertvollen Leistungen, die die Kunst erbringt und in Anerkennung ihres Beitrages zur Verbesserung der Lebensqualität hat der Bund die Aufgabe, das künstlerische Schaffen in Österreich und seine Vermittlung zu fördern. […]“ § 1 Abs 1 Kunstförderungsgesetz

„Ein Vorhaben ist förderwürdig, wenn ein öffentliches Interesse daran besteht. Ein öffentliches Interesse besteht, wenn das Vorhaben das Gemeinwohl oder das Ansehen der Stadt Wien sichert oder steigert beziehungsweise zum wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritt beiträgt.“ Punkt 5.1.1) Förderrichtlinien der Stadt Wien

Gerichtspersonal

Maria Berger (Vorsitzende Richterin) ist Juristin und Politikerin. Sie war Europaabgeordnete der SPÖ, Justizministerin und danach Richterin am Europäischen Gerichtshof.

Johannes Dietrich (Beisitzer)studierte Rechtswissenschaften an der JKU Linz, wo er seit 2022 Universitätsassistent am Institut für Strafrechtswissenschaften ist und zu politischen Delikten forscht.

Matthias Riesenhuber (Gerichtsdiener) arbeitete im Dispositionsbüro des Wiener Burgtheaters. Später war er kaufmännischer Geschäftsführer des Theater Neumarkt in Zürich. Seit 2018 ist er kaufmännischer Leiter und Geschäftsführer des Wiener Schauspielhauses.

Alfred Noll (Ankläger) ist ein österreichischer Jurist, Rechtsanwalt, Hochschullehrer, Herausgeber, Sachbuchautor und Politiker. Zwischen 2017 und 2019 war er Abgeordneter im Nationalrat für die Liste Pilz (JETZT!). Noll hat in seiner Laufbahn viele bahnbrechende Urteile durchgekämpft.

Laura Viktoria Elsenhans (Anklägerin) studierte Rechtswissenschaften an der LFU Innsbruck, wo sie seit 2018 als Universitätsassistentin am Institut für Strafrecht arbeitet. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Terrorismusstrafrecht und Strafanwendungsrecht.

Katharina Kessler (Verteidigerin) ist Rechtsanwältin und Partnerin bei skpr | rechtsanwälte. Nach dem Studium in Wien und der Ausbildung in einer renommierten Wirtschaftsrechtskanzlei machte sich Katharina Kessler selbstständig und berät MandantInnen im Bereich Arbeitsrecht, Unternehmensrecht und Strafrecht.

Paul Kessler (Verteidiger, Fall 1) Rechtsanwalt und Partner bei skpr | rechtsanwälte. Studierte in Wien und Linz. Er berät im Bereich Verhandlungsführung, vertritt Klein- und Mittelbetriebe bei streitigen Verfahren und vertritt im Bereich Wirtschaftskriminalität. Seit Jänner 2024 ist er einer der Vertrauensanwälte der Letzten Generation.

Andreas Manak (Verteidiger, Fall 2&3) hat an der Universität Wien Rechtswissenschaften und Sozialwissenschaften studiert. Er begann als Verfassungsjurist im Bundeskanzleramt und wirkte maßgeblich am Aufbau des österreichischen Rechtsinformationssystems (RIS) mit. Dr. Manak ist Rechtsanwalt mit der Spezialisierung auf Umweltrecht, Urheberrecht und Gesellschaftsrecht.

Michael Wurmitzer (Gerichtsschreiber), geboren 1990 in Kärnten, studierte Germanistik und Kunstgeschichte und schreibt seit 2014 für „Der Standard“. Seit 2023 ist er Stv. Ressortleiter Kultur.

Stefan Weiss (Gerichtsschreiber), geboren 1990 in Krems an der Donau, studierte Politik- und Kulturwissenschaften und schreibt seit 2014 für den „Der Standard“. 2018 wurde er Stv. Ressortleiter Kultur. 2024 übernahm er die Leitung des Kulturressorts.

Shan Kim (Gerichtszeichnerin) ist Studentin an der Klasse für Szenographie und Bühnenbild an der Akademie der Bildenden Künste. Bei den Wiener Prozessen betätigt sie sich erstmals als Gerichtszeichnerin.

Zeug:innen und Expert:innen

Heinz Bude ist emeritierter Professor für Soziologie. Er lehrte an der Universität Kassel und erlangte große Aufmerksamkeit mit Büchern wie Gesellschaft der Angst.

Fabian Burstein ist Autor und Kurator und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Dieser Tage erscheint sein Buch Empowerment Kultur. Was Kultur braucht, um in Zeiten von Shitstorms, Krisen und Skandalen zu bestehen.

Marlene Engelhorn ist Publizistin. Die Millionenerbin wurde bekannt durch ihr Engagement für Steuergerechtigkeit und Erbschaftssteuern. Sie ist eine der Mitbegründerinnen der Initiative Taxmenow.

Birgit Englert ist assoz. Professorin am Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien. Aktuelle Forschungen und Lehre zu Solidaritätspraktiken, sie schrieb über die zunehmende Verdrängung der Diskussionskultur zu Palästina. Eine von ihr mit-organisierte Ringvorlesung über Palästina wurde an der Universität Wien aus dem Lehrveranstaltungsverzeichnis gestrichen.

Isabel Frey ist jiddische Sängerin, Ethnomusikologin und Aktivistin. Sie ist Mitgründerin der jüdisch-arabischen Friedensinitiative „Standing Together Vienna“.

Bernhard Geringer ist promovierter Maschinenbauer und seit 2002 Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik (IFA) an der Technischen Universität Wien.

Andre Hutter ist Initiator mehrerer Volksbegehren, darunter „Leben ohne Klimalügen!“. Dieses basiert auf der Annahme, dass „der menschengemachte Klimawandel von Mächtigen erfunden und weltweit von Politik und Medien verbreitet“ wurde.

Daniel Jungmayer ist IT-Consultant. Seit 2016 ist er Unterstützer des BDS Austria.

Veronica Kaup-Hasler studierte Theaterwissenschaft. Sie war Dramaturgin der Wiener Festwochen und leitete dann die Festivals Theaterformen und steirischer herbst. Am 24. Mai 2018 wurde sie als (parteilose) Wiener Kulturstadträtin bestellt.

Hanno Loewy ist ein deutscher Literatur- und Medienwissenschaftler, Publizist und Direktor des Jüdischen Museums Hohenems.

Sigrid Maurer war Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft und ist heute Abgeordnete der Grünen im Nationalrat und deren Klubobfrau.

Florian Pennetzdorfer arbeitet als Datenanalyst für einen Industriebetrieb in Oberösterreich. Er ist 2-facher Vater und nimmt seit einem Jahr immer wieder an Protesten der Letzten Generation teil.

Afra Porsche ist Mitglied der Klimaprotest-Bewegung Letzte Generation Österreich. Sie stand auf Grund ihrer aktivistischen Arbeit als „Klimakleberin“ wiederholt vor Gericht.

Milo Rau ist Regisseur, Theatermacher und Autor und seit 2023 Intendant der Wiener Festwochen.

Margit Reiter ist Historikerin und Professorin an der Paris Lodron Universität Salzburg. Sie hat die Geschichte des Antisemitismus in der Linken erforscht und ist Autorin der Studie „Unter Antisemitismus-Verdacht. Die österreichische Linke und Israel nach der Shoah.“

Maya Rinderer ist Vertreter:in der Judeobolschewiener:innen, eines Kollektivs von in Wien lebenden linken Jüd:innen.

Nadine Sayegh wurde in Beirut geboren, wuchs in Wien auf und ist Managerin und Unternehmerin. Über ihre palästinensische Familie hat sie den vielbeachteten dokumentarischen Roman Orangen aus Jaffa geschrieben.

Heinz Sichrovsky ist Theaterkritiker und Kulturredakteur. Seine Berufslaufbahn führte ihn von der „Arbeiterzeitung“ zu „News“ und zur „Kronen Zeitung“.

Reinhard Steurer ist assoz. Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der politischen Dimension der Klimakrise im Allgemeinen bzw. mit der politischen Bedeutung von Ausreden und Schein-Klimaschutz.

Yosi Wanunu ist Regisseur und studierte Kunstgeschichte, Theater und Film in Israel, Europa und den USA. Er ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter des freien Wiener Labels toxic dreams. Aktuell ist er Mitglied des Rats der Republik der Freien Republik Wien.

Maria Windhager
ist Rechtsanwältin in Wien und eine der führenden Kapazitäten in Medienrecht.

Keynote-Speaker der Eröffnungs- und Schlusssitzung

Isolde Charim ist eine österreichische Philosophin und Publizistin. Sie wurde 2022 mit dem österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik und im Jahr danach mit dem Tractatus-Preis des Philosophicum Lech ausgezeichnet.

Bini Guttmann ist Jurist in Wien, war langjähriger Präsident der Jüdischen Hochschüler:innen in Österreich und Präsident der European Union of Jewish Students. Er ist Mitglied des Exekutivrates des Jüdischen Weltkongresses.

Johan Frederik Hartle ist ein deutscher Philosoph und Kunstwissenschaftler. Seit 1. Oktober 2019 ist er Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien.

Wolfgang Kaleck ist Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Mitbegründer des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), eine unabhängige Menschenrechtsorganisation. Aufmerksamkeit erhielt Kaleck u.a. auch als Anwalt des Whistleblower Edward Snowden.

KDM - Königin der Macht, die Wiener Rap-Ikone des Undergrounds, trat mehrfach im Club der Freien Republik Wien auf, wo sie sich kontinuierlich mit den Themen des Festivals auseinandersetzt. KDM schwor Widerstand gegen die Maschinenräume von Gewalt und das rassistische Patriarchat zu leisten.

Oliver Marchart ist ein österreichischer politischer Philosoph und Soziologe. Er promovierte bei Ernesto Laclau und ist Autor des Buches Conflictual Aesthetics. Artistic Activism and the Public Sphere.

Alexander Somek ist Professor für Rechtsphilosophie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

Urteil

Zur Entscheidung der Geschworenen

Entscheidung im Fall 1

Die Anklage schränkte ihre Klage auf Schwere Sachbeschädigung ein und schlug eine diversionelle Erledigung unter Auferlegung gemeinnütziger Leistung vor. Die Geschworenen sprachen die Letzte Generation mit einfacher Mehrheit vom Tatbestand der Schweren Sachbeschädigung frei, womit die diversionellen Erledigung entfiel.

Die Geschworenen argumentierten, dass aus der Beweisführung nicht klar hervorging, ob die Letzte Generation in diesem behandelten Fall (Autobahnblockade) das Lösungsmittel mitführte und es hier ein gegenseitiges Entgegenkommen hätte geben können. Folgend kann ausgehend von der Beweislage kein (bedingter) Vorsatz vorgeworfen werden.

Entscheidung im Fall 2

Hinsichtlich Verfahrens- und Entscheidungsgegenstand sind Missverständnisse aufgetreten, sodass die Geschworenen entschieden, im Fall der Maßnahmenbeschwerde gegen LPD Wien nicht abschließend urteilen zu können. Angesichts der Ereignisse während der Verhandlung und der fehlenden Aussagen fühlten sich die Geschworenen nicht in der Lage, die für ein Urteil zu beatwortenden Fragen ausreichend zu diskutieren.

Die Geschworenen wiesen darauf hin, dass Fall 2 zu gewichtig für den Theaterraum sei und vor ein reales Gericht gehöre. Im Rahmen der Wiener Prozesse (und der gesetzten Zeitvorgaben), könne dieses Thema nicht in seiner Komplexität gebührend beleuchtet werden. Es sei ihnen wichtig, dass hier die reale Gerichtbarkeit am Zug ist. Gemäß ihres Schwures hätten sie nach bestem Wissen und Gewissen entschieden.

Entscheidung im Fall 3

Mit drei Enthaltungen wurden die Wiener Festwochen von den Geschworenen von der Klage wegen Fördermissbrauchs freigesprochen.

Die Geschworenen betonten aber, dass sie sich als Mitglieder des Rats der Freien Republik Wien zum Teil zu befangen fühlten, um über den Sachverhalt differenziert und objektiv zu entscheiden. Sie alle stünden dafür ein, politisch-demokratische Kunst zu schaffen und sich an Veränderungsprozessen wie in der Freie Republik Wien aktiv zu beteiligen. Sie forderten die Wiener Festwochen auf, diese Veränderungsprozesse nicht nur zu initiieren, sondern diese mit Nachhaltigkeit zu leben.

Abschließend appellierten die Geschworenen in Bezug auf die drei Fälle an eine Dialogbereitschaft aller beteiligten Akteur:innen.

Strafmassempfehlung

Folgende Empfehlungen ergeben sich aus dem Urteil:

Empfehlungen aus Fall 1:
Der Republik Österreich wird empfohlen, zivilen Ungehorsam und den Terrorismusbegriff in dem Wiener Kommentar zu ergänzen und wenn möglich klar zu trennen. Im Zuge der Reaktion auf diverse Krisen sind Aktionen der Zivilgesellschaft weiterhin zu erwarten und dennoch ist es wichtig klare Grenzen bzgl. Gewaltbereitschaft in Sprache, Handlung, Nötigung und Missachtung demokratischer Werte zu formulieren und auf deren Einhaltung bzw. Missachtung zu reagieren.

Empfehlungen aus Fall 2:
Bei Fall 2 kam es zweimal zu Vorfällen in der Hauptverhandlung. Zwei Zeug:innen verweigerten die Beteiligung an der Befragung, und nutzten die Bühne für anderweitige Statements. Im Sinne der Prozessordnung, wurde das Mikrofon abgestellt, und beim zweiten Vorfall der Saal geräumt. Anzumerken ist, dass es auch in Fall 1 zu politisch Statements außerhalb der Prozessordnung kam, ohne dass Maßnahmen dagegen ergriffen wurden. Da es im Zuge des ersten Vorfalles zu einem körperlichen Übergriff kam, wurde von Seiten der Geschworenen im Nachzuge des Urteils betont, dass körperliche Integrität bei jeder Maßnahme einzuhalten ist. Es wird an alle Seiten appelliert, trotz der unglücklichen Vorfälle dialogbereit zu bleiben, und eventuell andere Formate zu finden, um den Dialog wiederherzustellen.

Wir wollen uns auch an euch die Mitglieder:innen des Rates und Zuseher:innen richten:
Bitte fällt Urteile zu gewichtigen Themen, wie diesen in den Prozessen behandelt, nicht unreflektiert! Bildet euch keine vorschnelle Meinung, sondern setzt euch mit den Themen auseinander und stärkt eurer Demokratiebewusstsein und beurteilt nach demokratischen Werten!

Empfehlungen aus Fall 3:
Die Anklage wegen Förderungsmissbrauchs durch die Festwochen wurde zwar abgewiesen, doch sind die Festwochen an ihre große Verantwortung zu erinnern. Die Nachhaltigkeit von Projekten wie dem Rat der Republik ist einzufordern, um diesen Prozess weiterhin aktiv auszugestalten und einzuhalten!

Die Wiener Festwochen sollten sich jedoch nicht auf diesem Freispruch ausruhen - das größere und wichtigere Urteil liegt nämlich bei den Wiener:innen selbst. Ihnen wurde eine Revolution versprochen, nun muss dieses Versprechen auch eingehalten werden. Wir empfehlen einen weiteren Prozess, in dem sich die Festwochen im Laufe der Intendanz von Milo Rau nochmals vor dem Gericht verantworten müssen, ob die Wiener Verfassung wahrhaftig umgesetzt wurde oder ob es bei leeren Versprechen einer elitären Institution geblieben ist.

Künstlerisches Team und Produktion

Konzept und Regie Milo Rau | Freie Republik Wien Dramaturgie, Casting, Juristische Beratung Carmen Hornbostel, Robert Misik, Claus Philipp, Laura Widerhofer Dramaturgische Beratung Florian Scheuba Bühne, Ausstattung Anton Lukas, Constanze Bieber Videokonzept, Kamera Moritz von Dungern Videoregie Jens Baudisch Kamera Julius Lermer Produktionshospitanz Annika von der Decken durchgeführt von Team Wiener Festwochen | Freie Republik Wien

Ein Projekt der Wiener Festwochen | Freie Republik Wien

WIENER PROZESSE AUF EINEN BLICK

Überblick und Hintergrundinformationen zu den drei Prozesswochenenden finden Sie hier.

Livestream

In Kooperation mit der Tageszeitung Der Standard bieten wir allen Interessent:innen, die aufgrund des außergewöhnlichen Interesses im Vorverkauf keine Karten mehr erwerben konnten, alle drei Prozesswochenenden als Livestream auf derstandard.at an.

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